Ein veganes Café eröffnen

6 Fehler, die ich begangen habe und wie du es besser machen kannst!

Nach drei Jahren habe ich beschlossen, meine vegane Konditorei zu schließen.
Warum?
Die Bestellungen liefen zwar sehr gut, aber im Café selber war meist zu wenig los. Leider habe ich zu spät eingesehen, dass die Lage nicht die Beste für ein Café war, aber die ganzen Fixkosten sehr hoch. Und das alles nur mit Tortenbestellungen auszugleichen – effizient ist das nicht, wenn 3/4 der Räumlichkeiten für einen leeren Gästebereich reserviert waren. Wir planten, das Lokal umzubauen. Aber die finanziellen Mitteln und vor allem die Energie dafür, fehlte letztendlich. Ich stand jetzt schon den ganzen Tag in der Backstube mit meinen Mädels. Wie sollten wir da noch mehr Bestellungen aufnehmen können?
Dazu kam durchgehender Stress und meine steigende Versagensangst. Am Ende sind mir bei jeder negativen Bewertung und unfreundlicher KundInnen-Mail fast die Tränen gekommen (mein Freund kann dir ein Lied davon singen). Ich musste einfach einen Schlußstrich ziehen, um meinen Kopf frei zu kriegen, wieder Kraft zu tanken und Motivation für Zukunftsprojekte zu haben.
Dennoch bereue ich keinen Tag. Ich bin noch immer die introvertierte und ständig unsichere Melli (zwei Eigenschaften, die nicht so toll sind, wenn man ein eigenes Business eröffnet), aber ich bin auch gewachsen: Ich habe Backshows absolviert, Kurse gehalten, Kundengespräche geführt und mein eigenes Team geleitet. Yeah! Schon allein diese persönliche Entwicklung war jeden noch so heftigen Arbeitstag wert.

Wenn du also überlegst, dich selbstständig zu machen, möchte ich dir weder davon abraten, noch möchte ich dich dazu motivieren. Du musst die Vor- und Nachteile selber für dich abwägen und überlegen, ob du die richtigen Eigenschaften und genügend finanzielle Mitteln dafür hast. Vielleicht kann ich deine Entscheidung erleichtern und dir ein paar hilfreiche Tipps geben, wenn du diesen aufregenden Schritt wagen möchtest.

Melanie Kröpfl

Denkfehler Nr. 1: „Alle VeganerInnen werden mir die Bude einrennen!“

Gefühlte 70% unserer KundInnen waren keine VeganerInnen. Sie kamen, weil es ihnen einfach schmeckte. Oder weil sie neugierig waren, Intoleranzen hatten oder das Lokal in ihrer Nähe lag. Denn auch wenn der „Trend“ immer größer wird, ist der Veganismus noch eine Nische. Selbst Charly Schillinger von der Swing Kitchen sagt, dass der Großteil seiner Burgerfans nicht vegan lebt.

Tipp: Mach nicht primär die vegan lebenden Menschen zu deiner Zielgruppe. Schau, dass du KundInnen ansprichst, die an einer „gesunden Schiene“ interessiert sind, die Intoleranzen haben (Milch, Eier, …) oder etwas ganz anderes. Versteht mich nicht falsch: Ich liebe es von veganer Kundschaft umgeben zu sein und habe gedacht/gehofft, dass diese meine Zielgruppe wird. Doch den meisten KundInnen war es relativ egal, ob sie in einem veganen oder unveganen Café standen.
Das ist aber nicht so schlimm, wie du jetzt vielleicht denkst. Denn wenn Leute bei dir essen oder etwas bestellen, denen die vegane Ernährung (noch?) relativ egal ist, konsumieren sie etwas rein veganes, merken, dass es schmeckt und kommen vielleicht wieder. Und das ist supergut für die Tiere und den Veganismus allgemein!

Denkfehler Nr. 2: „Ich habe so einen riesigen veganen Bekanntenkreis. Alle meine FreundInnen werden ständig vorbeikommen!“

Viele meiner Bekannten und die meisten VeganerInnen, die ich kenne, waren null bis einmal bei mir. Wenn es einen veganen Kuchen bei einer großen Bäckereikette viel günstiger gibt, warum sollte man dann extra ins NomNom fahren und das dreifache zahlen? Die schöne Seite daran: Ich durfte ganz viel neue Menschen kennen lernen, die sich zu treuen und superlieben StammkundInnen entwickelt haben. Und Leute, mit denen ich davor nicht so viel Kontakt hatte, die aber regelmäßig kamen, sind mir sehr ans Herz gewachsen und neue Freundschaften haben sich entwickelt.

Tipp: Nimm es nicht persönlich, wenn dich jemand nicht (ständig) besucht. Jeder hat seine Gründe dafür. Dir ist niemand etwas schuldig.

Denkfehler Nr. 3: „Die Lage ist ganz okay. Wenn die Leute mich mal kennen, kommen sie so oder so. Egal wo mein Lokal liegt.“

Ähm, nein. Felix Hnat von der Veganen Gesellschaft Österreich sagte einst diese weisen Worte: „Die zwei wichtigsten Dinge bei einem Lokal sind: Erstens die Lage und zweitens die Lage.“
Nach zwei Jahren intensivem Location-Suchen wollte ich  nicht mehr warten. Und das Gesamtpaket hat ja gepasst. Zwei U-Bahn Linien in der Nähe und – wow – der erste Bezirk gleich um die Ecke! Wenn dein Lokal aber um die Ecke gar nicht gesehen wird, bringt dir der belebte, erste Bezirk recht wenig.

Tipp: Lass dir viel, viel Zeit. Schau dir Locations in Ruhe an. Frag die Makler alles, was du wissen willst – sie werden schließlich von dir bezahlt, sobald der Vertrag steht. Wenn möglich, rede mit den ehemaligen Mietern. Besuch den Ort und die Umgebung an unterschiedlichen Tagen (unter der Woche, am Wochenende) und Uhrzeiten (morgens vor der Arbeit, tagsüber, Mittagspause, abends). Schau dich um: Von welchen Gebäuden ist das Lokal umgeben? Viele Büros, Schulen, andere Geschäfte, ähnliche Lokale? Was ist dort so los? Du wirst bald merken, ob die passende Laufkundschaft da wäre oder eben nicht.

Denkfehler Nr. 4: „Alle Kunden werden immer zufrieden sein. Meine Süßspeisen sind superlecker und ich arbeite verlässlich. Also was soll schief gehen?“

Die meisten Menschen sind freundlich, höflich und dankbar und zu 90% habe ich positives Feedback bekommen. Leider nehmen die restlichen 10% in meinen Gedanken oft einen viel größeren Platz ein und ich grübel und grübel und raunze und raunze. Aber du kannst es nunmal nicht jedem Recht machen.
Und oft merkt man im Nachhinein, dass man tatsächlich Fehler gemacht hat und kann daraus lernen.

Tipp: Lege dich nicht mit KundInnen an. Versuche nicht, sie zu überzeugen, dass sie im Unrecht/selber Schuld sind und du selbst alles richtig gemacht hast. Versuch dich in ihre Lage zu versetzen, entschuldige dich aufrichtig, versuche gut zu machen was noch gut zu machen ist und hake das Thema dann als Erfahrung ab. Und: Bekomm bitte keine Panikattacken, weil du befürchtest, dass es deswegen eine superschlechte Bewertung auf Google/Facebook/Happy cow gibt. Jedes noch so coole Unternehmen hat mindestens ein paar schlechte Bewertungen. Und leider bewerten meist nur die unzufriedenen KundInnen.
Und dann sind wir auch schon bei meinem Tipp an alle: Lass dich nicht zu sehr von Onlinebewertungen und Kritiken beeinflussen. Seitdem ich selber ein Lokal habe, gebe ich jedem Restaurant und Geschäft eine zweite Chance und schreibe auch keine fiesen Kommentare. Wenn mich wirklich etwas gestört oder mir etwas nicht gepasst/geschmeckt hat, schreibe ich die Firma per Mail an, um ihnen sinnvolle und sachliche (und nicht schwer emotionale, ärgerliche) Kritik zu geben. Denn selbst wenn wir im Kundenservice arbeiten: Wir sind auch nur Menschen, die mal einen schlechten Tag haben, die nicht perfekt sind und die eben nicht immer nur super funktionieren können.

Denkfehler Nr. 5: „Meine Kosten werde ich locker decken. Die Miete liegt unter 2000€ und der Rest wird wohl nicht so viel ausmachen.“

Diese naive Vorstellung verschwindet ganz schnell, sobald man einen Businessplan schreibt. Die Miete ist nur ein kleiner Teil der Kosten. Vor allem, wenn Angestellte (ja, auch geringfügig summiert sich!), Strom (Backofen und Geschirrspüler sind ständig im Betrieb) und Materialkosten (mich würde ja schon interessieren, wie viel Tonnen Mehl wir in diesen Jahren in vegane Torten verwandelt haben!) dazu kommen. Und die Steuern und Abgaben erledigen dann noch mal den Rest.

Tipp: Kein Business ohne ordentlichen Businessplan! Die regelmäßigen Umsätze nicht zu großzügig berechnen, genügend Budget für Marketing lassen. Rücklagen haben, wenn es mal schlechter läuft. Bei mir war das v.a. im Jänner (Neujahrsvorsätze und so) und im Sommer (wenn es richtig heiß ist verlässt niemand das Haus, höchstens zum Eisessen!).

Denkfehler Nr. 6: „Wow, dieser Gastro-Kühlschrank ist riesig! Einer reicht aufjedenfall. Wie soll ich den jemals voll bekommen?“

Glaub mir, du wirst. Wir haben anfangs in einen Gastro-Kühlschrank und einen Gastro-Gefrierschrank investiert und ein halbes Jahr später haben wir uns nochmal je einen besorgt. Und noch immer war es oft so eng, dass das Verstauen in Tetris-ähnliche Zustände ausartete.

Tipp: Plane dir Budget und räumlichen Platz ein für weitere Investitionen, die sich in den nächsten Wochen/Monaten eventuell ergeben werden.

Wenn du dich ebenfalls im veganen Bereich selbstständig gemacht hast oder planst, dies zu tun, kannst du deine Erfahrungen hier gerne teilen! :)

18 Comments »

  1. super informativer Blog, danke dafür liebe Melli :)

    Bin ja auch am Weg zur Selbstständigkeit und werde in 1-2 Wochen gründen.
    Wie du schon sagst, es hört sich am Anfang alles viel leichter an aber wenns dann mal drauf ankommt kommt da ganz viel mehr auf einen zu!

    genau deswegen ist es wichtig wenn da dann Jungunternehmer sich austauschen und unterstützen!

    Glg, Gabriel

  2. Liebe Melli,
    vielen lieben Dank für den tollen und ehrlichen Post.
    Ich war zwar auch nur ein/zweimal bei dir – und es hat mir immer geschmeckt!
    Obwohl ich es echt sehr traurig finde, dass du das supersüße Lokal schließt, verstehe ich dich absolut. Mein Traum war es auch immer ein CupcakeLokal zu eröffnen, habe dich sogar deswegen angeschrieben, aber muss wohl auch noch weiter träumen. Auf jeden Fall hast du mir Mut gemacht, denn auch ich bin introvertiert und habe deswegen Zweifel in der harten Businesswelt zu überleben. Vielleicht findest du zufällig in ein paar Jahren ein Lokal, das besser passt. Viel Erfolg weiterhin!
    LG Petra

  3. Liebe Melli,
    Ich war, nachdem ich es Mr vorgenommen hatte nach der Veganmania nur einmal bei dir und habe das Lokal nur per Zufall gefunden, weil ich in der Nähe zu tun hatte und mich noch dazu verlaufen hatte. Muss aber sagen, dass ich mich in der Gegend einfach nicht auskenne. Ich will mit meinem Kommentar nur unterschreiben wie wichtig die Lage ist. Es ist schade, dass du schließt, ich kann es aber sehr gut verstehen. Wird es dennoch eine Möglichkeit geben vielleicht online zu bestellen? Oder sind weitere Pläne noch offen?
    Auf alle Fälle, das Beste für deine Zukunft.
    Liebe Grüße
    „Benita“

    • Danke, Benita. Ich bin gerade auf der Suche nach einer Küche/Backstube zum Einmieten für Backkurse und Tortenbestellungen. Sobald sich da etwas getan hat, gebe ich bescheid!

  4. Liebe Melli,
    Ich habe das traurig gelesen, dass Du dein NomNomschließt, aber als ich jetzt diesen Betrag gelesen habe, verstehe ich alles… Sogar sehr gut verstehe, wir haben nicht mal ein Jahr lang das VegAnita Bistro gemacht.
    Alle deine Punkte kenne ich und haben genau solche Erfahrung gemacht acht, wie Du…

    Wir sind jetzt zurück ins „Angestellteleben“, fühlen wir uns besser, ruhiger und schlafen gut.

    Ich wünsche Dir alles Gute für deinem Zukunft!!! 😇

  5. Hallo Melli!

    Hut ab, dass du so offen über das „Scheitern“ redest und dein Wissen darüber weiter gibst. Über das Scheitern wird nicht so gern gesprochen. Viel lieber gibt man erfolgreichen Start Ups eine große Bühne. Wie schwer es ist, ein Unternehmen zu haben – darüber sollte man am besten nicht sprechen…

    Ich habe mich vor zwei Jahren im Nachhaltigkeitssektor nebenberuflich selbstständig gemacht (für 100% Selbstständigkeit fehlt mir der Mut) und arbeite durch mein Konzept der Nachhaltigkeitstouren durch Wien mit vielen lokalen Geschäften zusammen. Es ist unfassbar, wie schwer sie es haben. Einige mussten, wie du, trotz ihrer tollen Konzepte bereits schließen. Meist war auch bei ihnen der Standort ein großes Thema. Dazu kam, dass die KundInnen möglichst billig einkaufen wollten.

    Ich wünsche dir auf deinem weiteren alles Gute und wünsche dir, dass deine Träume und Vorhaben in Erfüllung gehen!

  6. Hi Melli,

    toller Beitrag, ich kann bei allen Positionen mit gehen. Vor allem Punkt 1 war/ist bei uns ähnlich. Mein Schatz und ich haben 2013 den bei uns im Landkreis ersten rein veganen Lebensmitteleinzelhandel eröffnet. Irgendwann um einen Mittagstisch und geilen selbst gebackenen Süßkram erweitert. Das alles hat leider nicht gereicht um die Kosten für den Laden und eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Deshalb werden wir in Kürze nach fast 5 Jahren am Markt unsere Türen schließen. Es war eine tolle Erfahrung und Reise. Wir haben viele wundervolle Menschen kennen gelernt und uns persönlich weiterentwickelt.

    sonnige Grüße
    Matthias

    • Stimmt, die gesammelten Erfahrungen waren wunderbar und wertvoll :) Tut mir leid, dass ihr ebenfalls schließen werdet. Aber trotzdem DANKE dass ihr euch getraut und ein veganes Business gegründet habt!

  7. Liebe Melli!
    Ein wirklich toller Artikel! Danke für deine offenen und ehrlichen Worte! Leider hab ich es nie persönlich zu dir ins Geschäft geschafft – ich hab meinen Freund nach der Arbeit zu dir geschickt ;) Ich bin seit Anfang des Jahres selbstständig unterwegs und ich kann jeden einzelnen Punkt, jede einzelne Sorge/Angst/Panik, aber auch jede deiner geschilderten Selbstbeschwichtigungs-Strategien nur zustimmen. Der wirtschaftliche Aspekt, der einem im Nacken sitzt ist ja der eine, aber wie du eben so offen darüber schreibst – die Ängste und persönlichen, hausgemachten Katastrophen die einen noch zusätzlich verfolgen sind eine ganz eigene Geschichte (die dir ja im Grunde genommen auch keiner wirklich abnehmen kann). Ich finde deine Haltung bewundernswert und großartig. Ich kann mir vorstellen, es war und ist sicher nicht immer leicht, aber ich bin mir genauso sicher, dass es einfach ein Lebensabschnitt war und der nächste für dich folgen wird. Ich verfolge deinen Weg und dein Tun gespannt und freue mich auf Neues :) Alles Liebe! Natascha

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